Mit einer Verfassungsänderung sollen die Volksrechte im Kanton Bern gestärkt werden. Dies indem Volksvorschläge neu auch bei Vorlagen mit Eventualanträgen möglich sind. Die SP empfiehlt die Vorlage zur Annahme.
In dubio pro populo – im Zweifel für das Volk – so hiess die damals eingereichte Motion im Grossen Rat. Der Motionär forderte, dass die Volksrechte gestärkt werden sollten und der Grosse Rat somit keine Tricks mehr anwenden könne, um Abstimmungen an der Urne zu verhindern.
Der Grosse Rat kann mit einem Eventualantrag dem Volk bei einer Vorlage zwei Varianten unterbreiten. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger können sich so genauer äussern.
Die Stimmberechtigten können aber auch zu bestimmten Vorlagen einen Volksvorschlag einbringen und somit eine Volksabstimmung verlangen. Dafür braucht es 10'000 Unterschriften innerhalb von drei Monaten.
Eventualantrag kann heute Volksvorschlag verhindern
Wenn nun aber die Mehrheit des Grossen Rates einen Eventualantrag beschliesst, kann im geltenden Recht kein Volksvorschlag gestellt werden. Leider wurde in der Vergangenheit immer wieder der Eventualantrag als taktisches Mittel eingesetzt, um Volksvorschläge zu verhindern.
So zum Beispiel 2015, als die bürgerliche Mehrheit beschloss, den Umfang und die Höhe der Prämienverbilligungen im Kanton Bern weiter zu senken. Dies nachdem bereits zwei Jahre zuvor eine Kürzung vorgenommen wurde. Mit einem taktisch motivierten Eventualantrag wurde verhindert, dass die SP und ihre Verbündeten einen konstruktiven Volksvorschlag einbringen konnten. Dieser hätte bei den Prämienverbilligungen beide Senkungen rückgängig gemacht hätte. Stattdessen musste das Bündnis «Ja zu den bewährten Prämienverbilligungen» einerseits ein Referendum gegen die neuen Kürzungen sammeln. Die Rückkehr zum Zustand vor der ersten Kürzung musste andererseits mit einer Volksinitiative eingefordert werden.
Neu soll dies nicht mehr möglich sein. Deshalb liegt eine Verfassungsänderung vor. Der Volksvorschlag soll nun höher gewichtet werden. Falls ein Volksvorschlag eingereicht wird, fällt ein allfälliger Eventualantrag des Grossen Rates weg. Es können wie bis anhin auch mehrere Volksvorschläge eingereicht werden.
SP unterstützt Stärkung der Volksrechte
Bei den Diskussionen im Grossen Rat war eine Mehrheit der Parlamentsmitglieder klar der Ansicht, dass bezüglich Eventualantrag Handlungsbedarf besteht. Es dürfe nicht mehr geschehen, dass der Eventualantrag eingesetzt werde, um ein Volksrecht zu verhindern. Die Mehrheit im Rat findet die vorliegende Gesetzesänderung richtig, weil damit die taktische Anwendung des Eventualantrages nicht mehr möglich ist. Trotzdem könne der Eventualantrag, wo sinnvoll, angewendet werden.
Es gab auch eine Minderheit im Grossen Rat, welche keinen Änderungsgrund des bestehenden Gesetzes sieht. Es sei sogar so, dass durch den Vorrang des Volksvorschlages, das Parlament geschwächt werde. Einzelne Grossrätinnen und Grossräte wollten das System mit Eventualantrag und Volksvorschlag ganz abschaffen, da es für viele Stimmberechtigten zu kompliziert und unverständlich sei.
Karin Fisli
Grossräting SP Meikirch